Pfad: www.ron-mueller.de > Seminare > Internet-Seminare > 2002 > | Letztes Update: Samstag, 11. Mai 2002 |
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Abend-Andacht (Sa.) |
Episode aus "Der kleine Prinz" (Antoine de Saint-Exupery) - „Der Weichensteller“
Andachtstext:
Als ich diese Andacht vorbereitete, hatte ich gerade meinen Abwasch zum fünften Mal innerhalb von fünf Tagen aufgeschoben - dabei bekam ich am nächsten Tag Gäste. Langsam fing es in meiner Küche an zu müffeln - aber ich war online im Internet. Über meine 768 KBit/s-DSL 1&1-Private-Tarif Leitung chattete ich gerade per AOL Instant Messenger mit Daniel über die neuen, gerade erst vorgestellten neuen Mobiltelefone von SonyEricsson. Er schickte mir einen Link rüber, auf dem ich mir das neue scharfe Teil gleich angucken konnte.
Warum interessierte mich das eigentlich? Es gab an sich viel wichtigere Sachen, die ich zu tun hatte - und sei es die letzten Vorbereitungen für dieses Seminar.
Aber das neue SonyEricsson hat eine eingebaute Digitalkamera, ganze 400 Stunden Standby-Zeit und ein Touchscreen-Display.
Dabei hatte ich doch eigentlich gerade erst ein neues Handy bei eBay ersteigert gehabt...
Egal. Im Netscape Navigator V6.21 surfte ich nebenbei auch noch mal kurz die aktuellen Nachrichten bei Spiegel.de, beim Heise Newsticker, der Tageszeitung, der Harburger Anzeigen und Nachrichten vom morgigen Tag und den Mediennachrichten von kress.de ab. Man will ja schließlich mitreden können. Und so fand ich es auch unheimlich interessant, dass die Wochenzeitung DIE WOCHE eingestellt wird.
Dabei lese ich die doch gar nicht. Hätte ich auch gar keine Zeit zu, ehrlich gesagt - ich habe ja schon genug mit dem Internet zu tun.
Eine Untersuchung unter Nutzern des Internets hat ergeben, dass sie weniger Zeit mit anderen Medien verbringen. So ist seit dem das Internet in Deutschland eingeführt worden ist, erstmalig der tägliche Konsum von Fernsehsendungen gesunken.
Kann ich nachvollziehen. Ich habe gar nicht mehr genug Zeit für die ganzen Sendungen im Fernsehen. Arbeit, Ausbildung, Freunde, Familie und dann auch noch Internet - all das schluckt Zeit.
Sehr viel Zeit.
Zeit, die man verpulvert, um nur auf den neuestem Stand zu sein. Neben den ganzen Nachrichtenseiten im Internet auch noch vielleicht den Phantastik.de-Newsletter, damit man auch weiß, was bei all den Science-Fiction-Serien im TV so los ist - auch wenn man da wieder zu wenig Zeit hat, diese alle überhaupt noch zu gucken.
Und dennoch hat man gerade im Internet irgendwie immer das Gefühl etwas zu verpassen - erst recht dann, wenn wir mal gerade nicht online sind.
Mein Handy bekommt mittlerweile automatisch eine SMS geschickt, wenn ich eine E-Mail empfangen habe. Bis zu fünfmal am Tag - kostenlos. Klasse Service - so verpass ich wenigstens auch wenn ich mal draussen unterwegs bin nicht die lange erwartete Mail. Und die kann ich dann notfalls auch noch per WAP abrufen...
Aber irgendwie ist das auch eine ganze Menge Stress, die man sich da macht. Ganz ähnlich dem, den wir tagtäglich in der Schule, Ausbildung oder Beruf erleben. Auch dort gibt es so viel zu tun, so viel noch zu erledigen, dass wir froh sind, einfach zu Hause mal auszuspannen. Wäre da nicht das Internet. Und dort ist bestimmt wieder eine E-Mail, die auf einen wartet, oder ein Chat-Partner, mit dem man sich aussprechen will, oder eine aktuelle neue Nachricht, welch tolles neues Handy Nokia gerade herausgebracht hat oder welcher Star-Trek-Darsteller gerade beim Szenendreh sich den Fuss verstaucht hat.
Das Internet schläft nie.
Menschen etwa 7-8 Stunden am Tag.
Ja, das ist nicht voll vereinbar.
Der Weichensteller beim „Kleinen Prinzen“ beobachtet jeden Tag Menschen die in die eine oder die andere Richtung fahren. Sie jagen nicht einer Sache nach, sie fahren einfach nur zur Arbeit und von der Arbeit wieder zurück.
Im Internet gibt es auch Weichen. Auf diesen Routern werden Datenpakete mal in die eine, mal in die andere Richtung geschickt. Aus der Sicht des Routers ist das wieder sehr langweilig, und bei all der Menge an Daten gehen die einzelnen Daten auch schnell in der Masse unter.
Beim „Kleinen Prinzen“ gab es wenigstens noch die Kinder, die sich ihre Nase an der Fensterscheibe plattdrückten. Sie verschwenden ihre Zeit an eine Puppe aus Stofffetzen, und diese Puppe wird ihnen sehr wertvoll.
Was ist im Internet wirklich wertvoll für mich? Sind es die Daten, aus denen sich meine E-Mails zusammensetzen? Sind es die Daten, die während eines Chats übertragen werden? Sind es die Nachrichten, die ich von der neuen TV-Serie bekomme?
Für mich ist es ganz klar etwas ganz anderes: Der Mensch, der dahinter setzt ist mir das wertvollste. Die private E-Mail von Birgit oder der Chat mit Michael. Und die Nachrichten interessieren mich vor allem dann, wenn ich danach mit anderen darüber auch fachsimpeln kann. Und bei all der Technik ist es doch noch immer ein Mensch, und sei es auch nur ein Mensch am anderen Ende der Leitung, der für mich das ganze wertvoll macht.
Für dies nehme ich dann auch mal all die hektische Zeit auf mich. Wichtig ist nur, dass bei all der Zeit, die man im Internet verbringt, man auch immer noch ein wenig Zeit für sich selbst findet - und irgendwie auch für den Abwasch am nächsten Tag...
Gebet Nr. 121 aus "Beten", Hrsg. vom Ev. Landesjugendpfarramt Hannover.
© 2002 Ron Müller.